Samstag, Juli 01, 2017

Ein Schwesterchen für den "Dicken"

Ja, die Carbon-Familie bekommt Zuwachs. Das alternde, wenngleich auch bei weitem noch nicht obsolete, Simplon darf demnächst vor seiner neuen Schwester mit seinen Stock-und-Stein-Geschichten protzen. Denn die wird die neue Lady nicht so schnell erleben. Sie ist nämlich ein wunderschöner Road Racer (RR). Wie es sich für eine Lady gehört, kommt sie trotz wunderschönem Kohlefaser-Rahmen eher grazil und leichtgewichtig daher. Auf ihren schlanken, dafür aber 28 Zoll langen Beinen macht sie auf Asphalt eine deutlich bessere Figur, auch wenn sie sicherlich auch mal eine Schotterpiste unbeschadet überstehen wird. Sie gehört einer eher neuen Generation Road Racern an, die den sonst so innovationsfeindlichen Bereich der Roadies durch Details aufrüttelt, die sich für sehr lange Zeit exklusiv im MTB-Bereich wiederfanden. Carbon-Rahmen, Scheibenbremsen (!), Steckachsen vorn und hinten und im Rahmeninneren verlegte Bremsleitungen dürften derer die Auffälligsten sein. Aber auch teurem Schmuck ist die Lady nicht abgeneigt. So wird per moderner Ultegra-Gruppe (einer der XT vergleichbaren RR-Gruppe von Shimano) geschaltet, gebremst und gekurbelt. Auch die Bontrager-Elemente, zu denen die beeindruckenden Felgen und der Sattel gehören, zieren sie auf's Allerfeinste.


Aber wer ist die Lady und wo kommt sie her? Nun, Kreißsaal sind die TREK-Produktionsstätten. Deren Ingenieure ersonnen bereits 2015 die RR-Plattform für diesen Endurance-Racer, deren Kern-Merkmal eine Komfortsteigerung zugunsten langer Strecken sein sollte. Eigens dafür entkoppelten sie zumindest ein bisschen die Sitzstrebe vom Oberrohr. Das System nannten sie IsoSpeed. Das fertige Bike hört auf den Namen TREK Domane 4.5 Disc. Und während Komfortsteigerung nicht selten mit unpräziserem Fahrverhalten, indirekterer Kraftübertragung oder schlicht höherem Gewicht (oder einer Kombination aus all dem) einhergeht, ist die Lady immer noch sagenhaft spritzig zu beschleunigen und leicht und direkt zu steuern. Warum das so ist, kann der Interessierte in diesem YouTube-Video sehen. Für mich hört sich das nach einer Menge Vergnügen an!

Woher aber kommt plötzlich die Idee "Rennrad"? Nein, eine Biergarten-Laune war es sicher nicht. Vielmehr bietet meine Firma seit geraumer Zeit ihren Arbeitnehmern an, ein Dienstfahrzeug zu ordern. JobRad nennen die es (und ist nicht generell auf meine Firma beschränkt). Voraussetzung für diese Form des Leasings (unter anderem): es muss zwei Räder besitzen, muss (mind. unter anderem) durch Muskelkraft angetrieben werden (a.k.a Bike oder Fahrrad) und wird eben als Dienstfahrzeug betrachtet. Für mich eine ernsthafte Überlegung wert. Denn: was mir bislang fehlte, um tatsächlich mal damit zur Arbeit zu fahren, war ein Bike, das ich auch gerne mal unbeaufsichtigt dort abstellen kann. Das Simplon jedenfalls kam dafür nicht infrage. Nun sollte ein solches Bike aber auch privat ein kleines bisschen Spaß machen. Ein mittelprächtig belastbares Bike, an dem ich schlussendlich mehr basteln als fahren würde und auf das ich im Zweifel überhaupt keine Lust hätte, würde es also wohl nicht werden. Wenn ich jedoch so ein Angebot in Anspruch nähme, warum dann nicht für ein Bike, das ich mir auch persönlich kaufen würde? Mit diesem Anspruch habe ich den Bikehändler meines vollsten Vertrauens - DANKE STEPHAN!!! :) - aufgesucht und mich letztendlich zu diesem wunderschönen und mit viel Fahrspaßpotenzial ausgestatteten Racer beraten lassen. Das allein war es schon wert, zu ihm zu gehen. Und so ganz nebenbei hab ich mich auch gleich noch mit Infos rund um das für mich total neue Gebiet Rennrad versorgen lassen und den aufwändigen und nur mit dem nötigen Know-how wirklich sinnvollen Prozess des Fittings (also die Anpassung des Bikes an meinen schwächelnden Körper) durchlaufen. Leistungen, wegen derer ich erstens immer wieder zu Stephans Radwelt kommen würde und zweitens der Einzelhandel wohl unverzichtbar bleibt, solange es Bikes gibt. Übrigens hat das Fitting eröffnet, dass ich offensichtlich ungleich lange Beine habe. Jetzt überlege ich, ob ich lieber das zu lange Bein kürzen lasse oder in das zu kurze Bein etwas Material einarbeiten lasse. Vielleicht eine gute Gelegenheit, auf Carbon-Knochen umzurüsten. NEIN!!! Scherz! Das lässt sich natürlich durch Schuheinlagen korrigieren. Sollte es sogar, da ich per Status Quo anderenfalls mindestens muskuläre Probleme bekomme.

Auch, wenn ich (noch) so gut wie keine Ahnung von Rennrädern habe, ein paar wenige Anforderungen an die Lady hatte ich dann schon: Zum einen (und vielleicht wichtigsten) sollte sie stabil genug sein, mich mit all meiner Masse unbeschadet zu tragen, selbst dann, wenn es mal etwas rauher zur Sache geht. Klar, wenn mein Plan aufgeht, sorgt gerade das Domane dafür, dass sie nicht mehr allzu lang so viel Masse zu schleppen hat. Aber bis dahin dürfte wohl die Kombi aus Carbonrahmen und stabilen Laufrädern sowie die Steckachsen für die gewünschte Stabilität sorgen. Des Weiteren sollte es, wenn es das nun schon einmal gibt, am besten mit Scheibenbremsen ausgestattet sein. Auf der Straße gelten zum Glück andere Ansprüche an die Bremse als im Gelände. Anderenfalls wäre meine Verwunderung über die ungewohnt zierlichen Bremsscheibchen (160mm vorn und hinten) wohl gerechtfertigt gewesen. Aber zum einen würden größere Scheiben die Laufrad-Spezifikationen sprengen. Zum anderen müssen die Bremskräfte ja irgendwie auf den Asphalt übertragen werden. Und auch wenn die Lady mit den 28mm breiten Contis verhältnismäßig voluminöse Schuhe trägt (ursprünglich waren 25er Bontrager-Reifen montiert), ist die Auflagefläche selbst auf optimalem Untergrund nicht eben üppig.

Alles an dem Bike scheint aus einem Guss und meinen Ansprüchen sowohl an Technik als auch an Ästhetik gerecht zu werden. Nicht, dass deswegen mein Stollen-Monsterchen Angst haben müsste, vernachlässigt zu werden. Aber die Lady wird sich ebenso wenig darum sorgen müssen, mittelfristig als nutzloses Zweitbike unzähligen Spinnen und Staubresten eine Dauerbleibe zu bieten.

Und nun? Nun, vorgenommen habe ich mir bereits eine ganze Menge. Alles natürlich, um wieder mal ein wenig - wie man so schön sagt - "back in shape" zu kommen. So laufe ich neuerdings wieder. Ich folge damit der Erkenntnis, dass Laufen die wohl effizienteste Ausdauersportart ist und damit als einzige geeignet, noch vor der Arbeit "mal eben" Sport zu treiben. Auch das am meisten Spaß versprechende Mountainbiken möchte ich wieder etwas intensivieren. Aber nun eben auch - gerade zugunsten eines gezielteren GA-Trainings - das "Asphalt-Schrubben". Natürlich muss ich nun noch ein paar dafür geeignete Strecken erarbeiten. Der Schwerpunkt bisheriger Planungen lag ja auf Waldwegen und Trails und damit eben der Minimierung der Asphalt-Anteile. Das werde ich nun zum Teil umkehren. Außerdem möchte ich wenigstens bei entsprechendem Wetter die Lady gerne vermehrt ihrem eigentlichen Existenzgrund unterwerfen: Dienstfahrten. Und wenn mich die Arbeit selbst nicht allzu sehr auslaugt, schaffe ich es womöglich hin und wieder, die Heimfahrt gegenüber der eigentlich kürzesten Strecke signifikant zu erweitern und so die Pflichtfahrt mit etwas Sport (und Spaß) anzureichern. Mögen sich diese Pläne nicht am Ende als überambitioniert entpuppen und vom gelebten Alltag eingeholt werden...

Ab und zu nerve ich ja gerne auch mit Zahlen und Fakten. Kein Wunder, dass das hier auch sein muss. Ich erwähne aber mal nur die nötigsten:
 Rahmen:         400 Series OCLV Carbon, IsoSpeed, BB90, 142x12 Closed Convert-Ausfallenden, RH 58cm
 Gabel:          Trek IsoSpeed Carbon Disc, E2-Gabelschaft, 15-mm-Steckachse
 Schaltwerk:     Shimano Ultegra 11-fach (11-32Z)
 Kurbelgarnitur: Shimano RS500 Compact (50/34Z)
 Laufräder:      Bontrager Affinity Comp Disc Tubeless Ready, vorne 15mm-, hinten 142x12mm-Achse
 Reifen:         Continental GrandPrix 4000S II (28mm)
 Sattel:         Bontrager Paradigm 3, Sattelstreben aus CrMo-Stahl
 Sattelstütze:   Bontrager Carbon, 2-Schrauben-Klemmkopf, 27,2mm, 8mm Versatz
 Lenker:         Bontrager Race Blade, VR-C, 31,8mm
 Vorbau:         Bontrager Race Lite, 31,8mm, 7 Grad
 Bremsen:        Hydraulische Shimano RS685-Scheibenbremsen (160mm Scheibendurchmesser)
 Gewicht:        ca. 8,9kg

Ja, und da ich ja "nur" meinen MTB-Helm habe, musste noch ein Rennrad-Helm her. Zu dem Zweck wollte ich mal einen Aero-Helm ausprobieren. Sowohl Optik als auch die immer wieder besungenen "inneren Werte" eines Casco-Helmes, dem Casco SPEEDairo RS, haben mir extrem gut gefallen. Insbesondere bin ich schon sehr gespannt, wie es sich mit dem Visier fährt. Bislang kenne ich ja lediglich das Fahren mit Sonnenbrille. Außerdem bin ich schon neugierig, ob mir die Belüftung gefällt, die zwar für einen Aero-Helm sehr gut ist, aber natürlich nicht ganz so offen wie der MTB-Helm. Cool aussehen tut er jedenfalls schon mal. Und was mag es wohl Wichtigeres geben? ;-)

Ach übrigens: dass das Domane mein erstes Rennrad ist, stimmt eigentlich gar nicht. Damals, als Rennräder noch aus Stahl und entsprechend schwer waren und eine überschaubare Anzahl Gänge besaßen, die über Hebel am Unterrohr gewechselt wurden (jaaa, und als man ungestraft echt hässliche Trainingsanzüge tragen durfte :)), hatte ich schon einmal eines, kurz bevor auch ich schlussendlich die MTB-Ära eingeläutet habe. Und so sah das damals aus:


Und wenn wir schon über alte Zeiten reden: mein erstes Rad der Marke TREK ist das Domane auch nicht. Vor inzwischen beinahe ewigen Zeiten - nämlich zu Anfang dieses Blogs und damit zur Geburtsstunde von Carbonracer - hat das Simplon seinen Vorgänger aus Carbon und Alu abgelöst. Das Bike war damals mein erster Kontakt zum Lieblings-Werkstoff. Das Modell: TREK 8700.

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1 Comments:

Anonymous Karin said...

Sehr schöner Blog. Ich lese immer wieder gerne darin. Mit diesem, deinem ersten Rennrad war viel Freude, hin und wieder auch Leid verbunden. Dass deine "Rad"-Aera einen solchen Verlauf nimmt, konnte damals niemand ahnen. Aber großartig!
In 10 Jahren, also 2006 bis 2016, knapp 7.700 km gefahren, das muss ein "Privatmensch" erst einmal nachmachen. Ich glaube, das schaffe ich bis an mein Lebensende nicht. Wirklich großartige Leistung! Dass dann mal das eine oder andere Jahr etwas knapper im Training ausfällt und mit einer nachträglichen, höheren Belastung für das Rad ausfällt, spielt dabei keine so große Rolle. Glückwunsch, dass du es immer wieder schaffst, einen Startpunkt zu finden und weiter zu machen.

7/15/2017 8:48 PM  

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