Donnerstag, Juni 21, 2012

Noch mehr Carbon

In letzter Zeit nerven mich einige Kleinigkeiten an meinem ehemals so schönen neuen Bike: Die Präzision meiner Schaltung (Schaltwerk) hat deutlich nachgelassen, die Gänge wechseln teilweise sehr unwillig und nur unter Nachdruck, dann wieder springen sie unwillkürlich. Nun könnte man sich sehr darüber wundern, angesichts der Tatsache, dass der Zug zum Schaltwerk geschlossen verlegt und damit optimal gekapselt ist. Zudem reden wir hier über die Gore RideOn-Züge, die sogar von der Fachzeitschrift "BIKE" (Ausg. 5.2012) sehr gut getestet wurden. Aber auch ein solcher Zug wird mit der Zeit älter und zwangsläufig schwergängiger. Da die Kosten - auf die Nutzzeit von (in diesem Fall) 6 Jahre umgerechnet - mit 8 Euro pro Jahr nicht sonderlich üppig ausfallen, ist die gelegentliche Erneuerung des Zuges sicher mal okay. Dank des erwähnten "BIKE"-Tests steht deshalb nun die Ersetzung des zweitbesten Zuges im Test durch den Testsieger, den Jagwire Ripcord, an.

Warum aber enthält die Überschrift dieses Berichtes dann das verheißungsvolle Wort Carbon? Werden die neuen Jagwire-Züge tatsächlich inzwischen aus den extrem zugfesten Kohlefasern gefertigt? Mitnichten. Leider wäre es zum einen wohl ein wenig teuer, derartige Züge meterweise zu verbauen. Zum anderen wage ich zu bezweifeln, dass solche Züge angemessen reibungsarm in ihren Hüllen laufen würden. Zudem wirken dort nicht die Kräfte, die den Einsatz von Kohlefasern an dieser Stelle rechtfertigen würden. Dank der durchgehenden Verlegung der Außenhülle würde ich nicht einmal optisch davon profitieren.

Shimano XTR RD-M972-SGS Shadow Carbon
Shimano XTR RD-M972-SGS
Nein, die Überschrift weist vielmehr auf meine zweite in diesem Zusammenhang getätigte Neuinvestition hin. Ich habe mich nämlich endlich einmal dem Projekt Antriebsmodernisierung angenommen. Und während ich bei der Kette und bei dem Ritzelpaket auf Altbewärtes gesetzt habe, also lediglich altes gegen neues getauscht habe, habe ich mir für das Schaltwerk mal ein Leckerchen gegönnt. Damals, bei der Entscheidung zu einem geeigneten Schaltwerk für das damals neue Simplon  habe ich mich - der ein oder andere wird sich möglicherweise erinnern, alle anderen schauen jetzt schnell in den Bericht "Dekadenz für kleine Geld" vom 22.10.2005 ;) - für ein gebrauchtes XTR-Schaltwerk aus dem Jahr 2003 entschieden. Einfach deshalb, damit es ein Teil aus Shimanos Top-Gruppe werden konnte ohne mich dafür in tiefste Armut zu stürzen. Etwas ähnliches hab ich nun wieder gemacht: ich habe mir wieder ein gebrauchtes XTR-Schaltwerk für kleines Geld gekauft. Dieses Mal die RD-M972 SGS aus dem Jahr 2008. Das Schöne an diesem Schaltwerk ist (neben dem "XTR") die Shadow-Technologie, die Shimano damals erfunden hat, um die Dimensionen, um die das Schaltwerk vom Schaltauge "absteht", deutlich (nämlich um 11-18mm) zu reduzieren. Desweiteren habe ich nun vernünftigerweise ein Schaltwerk mit langem Schaltkäfig (SGS), dessen Kapazität ausreicht, alle verfügbaren Gänge zu schalten. Logisch: großes Kettenblatt + größtes Ritzel oder ähnliche Übersetzungen schalten vernünftige Biker eh nicht. Aber mit dem kurzen Käfig meines alten Schaltwerks reichte schon eine Kombination à la großes Kettenblatt + mittleres Ritzel (eine Kombination, die man schon ab und zu unbeabsichtigt schaltet) aus, um das System so zu verkeilen, dass ich es nur unter Lösen des Hinterrades wieder frei bekam. Und das gehört nun der Vergangenheit an. Als kleines Sahnehäubchen - und da schließt sich der Kreis zur Überschrift - ist nun der gesamte Schaltkäfig, wie auf dem Bild prima zu erkennen, aus Carbon! :-)
Auch super ist, dass der Zug nun von vorne oben an das Schaltwerk geführt wird. Der 180°-Bogen, in dem der Schaltzug vorher an das Schaltwerk geführt werden musste, gehört nun der Vergangenheit an. Das sollte die Schaltperformance noch einmal steigern.

Nur mal am Rande erwähnt: Ich habe ungeachtet der heute üblichen 10-fach-Schaltungen wieder zu einer 9-fach-Schaltung gegriffen, da ich die Kosten gescheut und den Sinn nicht gesehen hab, das ganze System umzurüsten, nur um einen Zwischengang mehr schalten zu können. Desweiteren sind Kette und Ritzel für 9-fach breiter und damit robuster gebaut. Ohne Notwendigkeit oder praktischen Nutzen werde ich also nicht so schnell umrüsten. Ich bin so ganz nebenbei damit der Frage aus dem Weg gegangen, ob ich nicht doch ein Schaltwerk neueren Produktionsdatums besorgen sollte. Damit verzichte ich zwar auf das äußerst interessante Shadow Plus, das bei Bedarf dafür sorgt, dass die Auf/Ab-Bewegungen des Schaltkäfigs durch eine größere Federvorspannung "gedämpft" wird, also das Geklapper reduziert wird und das Risiko abspringender Ketten auf nahezu Null sinkt. Letzteres war für mich ob meines verhältnismäßig wenig extremen Einsatzes jedoch bisher kein großes Thema. Jedenfalls ergibt sich so einfach nicht die Frage nach neuer oder nicht so neu und ich kann mit diesem edlen Stück Schaltwerk und einem ruhigen Gewissen die Berge unsicher machen, bis ich mir eines Tages die Acros A-GE (auch hier) leisten werde und damit eine bowdenzugfreie Ära einleute. :dance:

Erster Erfahrungsbericht: Grenzenlose Begeisterung! Nachdem ich gestern meine erste Fahrt nach der Montage des Schaltwerks absolviert habe, möchte ich - passend zu dem Bericht - meine Begeisterung mit euch teilen. Nach nur wenigen Metern der Beschleunigung war das erste Mal runterschalten angesagt. Einen Gang nach dem anderen. So war es geplant. Die Realität hat mich allerdings gleich mal alle drei Gänge, die ich gleichzeitig schalten kann, runterschalten lassen. Denn die ernorme Daumenkraft, die bislang nötig war, war nun komplett überflüssig investierte Kraft. Ich übertreibe nicht. Das einzige an Widerstand, das mich erwartet hat, war die reine Federkraft des Schaltwerks selbst. Und die ist zwar nun eine Idee größer als die des alten Schaltwerks, führt aber auch dazu, dass ich quasi kein Kettenschlagen mehr habe. Auf die im Artikel erwähnte Shadow Plus Technologie kann ich also gerne verzichten. Dass ich nun sehr viel feinmotorischer (vor allem runter-)schalten "muss", daran gewöhn ich mich nur allzu gern!
Auf eine Kleinigkeit muss ich allerdings nun etwas Acht geben. Ich habe nämlich die Länge des Schaltzuges optimistisch kurz gewählt. Wenn mir nun der Lenker allzu weit nach rechts umschlägt, kann das nun den Schaltzug ziehen.

Fazit: Der neue Jagwire-Schaltzug, die geradere, direktere und kürzere Verlegung desselben und das neue Superschaltwerk haben mich nicht nur begeistert. Sie haben mich komplett weggehauen. Der technische Sprung nach vorn macht soviel Spass, wie zuletzt das Umrüsten des Bikes von Felgenbremsen auf Scheibenbremsen vor fünf Jahren.

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Sonntag, Juni 03, 2012

Bewegte Massen (oder: Tegernsee-Marathon 2012)

Eine Formel, die bereits jeder Physikschüler, egal wie faul er ist, runterbeten kann, ist die Äquivalenz von Kraft und beschleunigter Masse (F=m⋅a ⇔ m=F/a). Daraus habe ich schon vor 2 Jahren eine einmalige und sensationelle Diät entwickelt: ich habe einfach die beim Biken eingesetzte Kraft stark reduziert. Man sollte nach der Formel schließlich erwarten können, dass sich dann meine (Körper-)Masse rapide verringert. Leider habe ich mir selbst empirisch bewiesen, dass sich proportional zur Kraft auch die Beschleunigung verringert und als unangenehme Folge meine träge Masse immer träger wurde. Nicht ohne Grund fahre ich schon seit Jahren immer wieder die Kurzdistanz bei meinem Lieblingsmarathon.

Tegernsee-Marathon 2012 - Bild 1
So auch dieses Jahr. Schon zu Beginn des Anmeldezeitraums für den diesjährigen Marathon habe ich mich - weise wie ich bin - für den A-Marathon am Tegernsee angemeldet. Soweit nicht neu. Dieser Marathon ist heuer neuerdings nicht mehr der kürzeste. Überhaupt sind die Führungen aller Strecken nach dem letztjährigen Chaos vollständig überarbeitet worden. Hinzugekommen ist nun eine Strecke mit knapp 270 Höhenmetern und 30 Kilometern. Genannt haben die Veranstalter sie die E-Strecke. Ob das einfach nur der nächste freie Buchstabe im Alphabeth war oder die Benennung daraus resultierte, dass auf jener Strecke aberwitziger Weise nun Elektrobikes, also Fahrräder mit elektrischem Hilfsmotor (sog. E-Bikes), erlaubt waren, bleibt ein Geheimnis der Veranstalter. Ebenso die Gründe für ein derart wettbewerbverzerrendes Reglement. Wie dem auch sei: meine Wenigkeit hat sich ja eh für die A-Strecke gemeldet. Da sie nun knappe 800 Höhenmeter aufweist und diese nicht so angenehm verteilt sind, wie die Anstiege der "originalen" A-Strecke, habe ich dieses Jahr darauf verzichtet, Katja mit missionarischem Eifer zu der A-Strecke zu bewegen. Nach den Erfahrungen des letzten Jahres hab ich es ihr nicht einmal verdenken können, dass sie gar nicht am Marathon teilnehmen wollte. Deutlich weniger als 24 Stunden vor dem Rennen, nämlich noch während wir über das Festivalgelände gestriffen sind und ich meine Startunterlagen in Empfang nahm, hat sich Katja zu meiner großen Überraschung aber auch sehr zu meiner Freude dann doch spontan dazu entschlossen, den Marathon mitzufahren. Dem wenigen Training geschuldet allerdings auf der neuen E-Strecke. Wie sich herausstellen sollte, hat ihr das einen riesen Spaß bereitet und ihre Vorfreude auf das nächste Jahr spontan manifestiert. Und anstrengend war diese Strecke allemal. Denn Katja hat die Ehre der richtigen Mountainbiker veteidigt, indem sie ohne E-Motor mitgefahren ist!

Tegernsee-Marathon 2012 - Bild 2
Für alle Strecken gab es auch in diesem Jahr einmal mehr ein riesiges Plus an Meldungen. Allein auf der A-Strecke sind mehr als 600 Mountainbiker gestartet. Als Folge dieser Startermassen war ich auf keinem Streckenabschnitt des Marathons signifikant lange ohne Gegner unterwegs. Die diesjährige Strecke führte uns einen Singeltrail talwärts, den ich bereits von meinen zwei C-Marathons kannte. Der Trail verlangt einiges an Aufmerksamkeit und Handkraft, die dazu führt, dass am Ende einmal alle Gliedmaßen durchgeschüttelt werden wollen. Einige Fahrer, die sich auf solchen Trails weniger wohl fühlen als ich, schieben diesen Trail auch gerne abschnittweise. Und eben solche Fahrer hatte ich beim Rennen auch haufenweise um mich. Dadurch war ich leider immer wieder kurz gezwungen, auf einem eigentlich flüssig fahrbaren Trail zu stoppen oder extrem runterzubremsen. Aber das nimmt man gern in Kauf angesichts der Tatsache, dass man zu jeder Zeit Biker um sich hat, ohne die das Rennen wohl eher den Charakter einer Zeitfahrt hätte.

So gering die Beteiligung des Teams "Seehotel Waltershof" am letztjährigen Marathon im Tal war, so rege war dessen Präsenz dieses Jahr. Neben den zwei erwähnten Akteuren hat auch die (beinahe) ganze Familie Köck, sprich: Peter, Sigrid und der inzwischen nicht mehr annähernd kleine Lars, teilgenommen. Nach der probeweisen Erkundung der A-Strecke hat Sigrid beschlossen, am Rennsonntag doch lieber die neue E-Strecke zu fahren. Katja hat's selbstredend gefreut, war sie schließlich nicht so "allein" in ihrem Startblock. Die beiden Kerle sind allerdings mit mir die A-Strecke gefahren. Mit mir kann man dabei ruhig wörtlich nehmen. Denn, wie sich herausstellen sollte, war mein Abstand zu ihnen die ganze Zeit im Bereich weniger Minuten. Am höchsten Punkt der Strecke, also nach dem langen Hinauffahren unseres Anstieges hat mich plötzlich, zu einem Zeitpunkt, an dem meine Atemluft kaum für die Aufrechthaltung lebenswichtiger Grundfunktionen ausreichte, eine gutgelaunte Stimme von hinten mit den Worten begrüßt: "Hallo, Herr Carbonracer". Zum Glück hat Lars, dem diese Stimme gehörte, an jener Stelle beschlossen, auf seinen Vater zu warten. :)

So richtig Glück hatten wir mit dem Wetter. Zwar gab es bei meiner letzten Trainingsfahrt vor dem Marathon noch viel Sonne und angenehme Temperaturen. Aber pünktlich zu Beginn der Marathon-Woche wurde es kühler und - was viel schwerer wiegt - deutlich nasser. Sogar die ursprünglich geplante Trail-Abfahrt wurde auf eine parallele, von ihrer Charakteristik her vergleichbare Abfahrt verlegt, da der ursprüngliche Trail wohl den Wassermassen jener Woche zum Opfer gefallen ist. Auch die Aussicht auf das Marathon-Wochenende sah noch wenige Tage vor dem Wochenende im wahrsten Sinne düster aus. Zu unserem absoluten Glück war die Kristallkugel der Meteorologen aber scheinbar ein japanisches Montagsmodell. Pünktlich zum Festivalstart am Samstag vor dem Rennen kam die Sonne raus, die Temperaturen wurden frühsommerlich und die Böden verhältnismäßig trocken. Dieses Wetter konnte Petrus glücklicherweise bis zum Ende des Rennens am Sonntag aufrecht halten. Nicht einmal 5 Minuten, nachdem wir das Bike daheim wieder auf seinen geschützten Parkplatz gestellt hatten, öffnete der Himmel dann seine Schleusen und ergoss in heftigsten Gewittern seine über die letzten zwei Tage angesammelten Reserven.

Fazit: Mal wieder wurde meine Vorfreude auf das Jahreshighlight nicht enttäuscht. Es herrschte einmal mehr trockenes und frühsommerliches Wetter während des Rennens und das Festival war wieder einmal eine prima Gelegenheit, das sympathische Team Waltershof, auf das man stolz sein kann, in gemeinsamem Interesse wiederzutreffen. Die Hinweise meines Körpers auf nun bereits jahrelang anhaltende Missstände lassen sich allerdings nun nicht länger ignorieren. Zu deutlich fehlt es mir an Grundlagenausdauer und Kraftausdauer. Zu intollerant gehen meine Beine inzwischen mit Laktat um. Und zu sehr bestrafen mich selbige mit Streik für die Mehrarbeit, die sie wegen meines hohen Körpergewichtes am Berg zu leisten haben. Allerdings brauche ich wohl dieses Maß an Brisanz, um tatsächlich effektiv daran etwas zu ändern. Ich fühle mich jedenfalls bereit dafür. Möge die Trainingsstatistik des restlichen Jahres mich nicht am Ende des Jahres Lügen strafen.

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